"Die rettungsdienstliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger ist in Mannheim im Bundesvergleich gut gewährleistet. Dennoch zeigen sich noch Verbesserungspotentiale. Hieran arbeiten Stadtverwaltung und RDBA gemeinsam zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger. Die Betrachtung der Hilfsfrist hat sich durch das im Juli beschlossene neue Rettungsdienstgesetz als Folge der hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen verändert": Mit Blick auf den künftigen Rechtsrahmen haben Stadt und Bereichsausschuss für den Rettungsdienst nun eine Vereinbarung geschlossen. „Wir sind uns einig, dass wir reagieren müssen. Die geänderte Betrachtungsweise hinsichtlich der Hilfsfrist führt zu einem erheblichen Mehraufwand im Bereich Personal und Fahrzeuge. Beides ist am Markt nicht unmittelbar verfügbar", sagt Mannheims Sicherheitsdezernent Dr. Volker Proffen.
"Daher haben wir uns in einem ersten Schritt über Maßnahmen verständigt, die realistisch umsetzbar sind und kurzfristig zu einer spürbaren Verbesserung für die Bürgerinnen und Bürger führen“, so Proffen weiter. So soll bereits in den nächsten drei Monaten ein zusätzlicher Rettungstransportwagen am Standort Käfertal vorgehalten werden. Ein weiteres Fahrzeug am Standort Lagerstraße ergänzt diese Vorhalteerweiterung innerhalb von sieben Monaten. Innerhalb von zwölf Monaten soll das auf der Hauptfeuerwache in Neckarau stationierte Notarzteinsatzfahrzeug dann rund um die Uhr verfügbar sein. Die Einrichtung einer Rettungswache im Stadtteil Casterfeld sowie die Installation eines Rettungswagens dort wurde beschlossen. Darüber hinaus wird auch an einer Ausfallkonzeption zur Kompensation von Rettungsfahrzeugausfällen sowie an weiteren Maßnahmen gearbeitet. „Wichtig ist es, die Realität und die Rechtslage in Einklang zu bringen. Diese Vereinbarung wurde von Stadt und dem Bereichsausschuss in konstruktiver Zusammenarbeit entwickelt. Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger ist uns ein großes Anliegen. Wie die aktuelle Berichterstattung zeigt, liegen wir in Mannheim über dem Bundesdurchschnitt und arbeiten gemeinsam daran, noch besser zu werden“, so Joachim Schmid, Vorsitzender des Bereichsausschusses für den Rettungsdienstbereich Mannheim. Im Zuge der jährlichen Fortschreibung des Rettungsdienstbereichsplans werden die Auswirkungen analysiert und ggf. nachgesteuert. Ziel sei es, die sehr gute Versorgungssituation weiterhin zu gewährleisten.
SPD im Landtag lehnt grün-schwarzes Rettungsdienstgesetz ab
Der Mannheimer Landtagsabgeordnete Dr. Boris Weirauch warnt indes vor notärztlicher Unterversorgung in Mannheim als Folge des kürzlich im Landtag mit den Stimmen von Grünen und CDU beschlossenen Rettungsdienstgesetz. "Im Notfall zählt jede Minute! Die Landesregierung wurde gerichtlich dazu verdonnert, die Rettungsdienst-Hilfsfristen gesetzlich strenger zu regeln. Jetzt bewegt man sich von 15 Minuten auf 12 Minuten. Andere Bundesländer sind da deutlich härter. In Hessen muss der Rettungsdienst in 95 Prozent der Fälle innerhalb von 10 Minuten vor Ort sein, in Nordrhein-Westfalen in Städten sogar innerhalb von 8 Minuten. Warum bleibt Baden-Württemberg dahinter zurück, wenn es darum geht, Leben zu retten?“, kritisiert der Mannheimer SPD-Abgeordnete Boris Weirauch die Landesregierung und begründet seine Ablehnung in der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf.
Weirauch verweist in diesem Kontext auf die Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der SPD-Fraktion, wonach in Mannheim im Jahr 2023 nur knapp 60 Prozent der Rettungskräfte innerhalb von 10 Minuten vor Ort waren, bei den Notärzten lag die Quote bei 74,28 Prozent. „Um jetzt die gesetzliche Frist von 12 Minuten einzuhalten, sind erhebliche Ausweitungen der Fahrzeug- und Personalkapazitäten notwendig“, stellt der Sozialdemokrat konkrete Forderungen an den zuständigen Bereichsausschuss und warnt zugleich: „Für den Rettungsdienstbereich Mannheim kann die Gesetzesänderung schlimme Folgen haben, da die Regierung ermächtigt wird, die notärztliche Versorgung aus der der Hilfsrist zugrundeliegenden Planungsvorgabe herauszunehmen. Das kann bedeuten, dass in Mannheim Notärzte eingespart werden“, kündigt der Sozialdemokrat bereits Widerstand auf lokaler Ebene gegen die Umsetzung der Pläne von CDU und Grünen an.
Der Änderungsantrag der SPD, den Stadt- und Landkreisen einen verpflichtenden Sitz und damit eine Stimme im Bereichsausschuss ihres Rettungsdienstbereiches einzuräumen sowie dessen Sitzungen öffentlich zu machen, ist zudem gescheitert. Der Bereichsausschuss entscheidet über Verfügbarkeit und Einsatz von Rettungskapazitäten.
„Leider fand dieser Ansatz keine Mehrheit im Parlament. Kommunale Vertreter sitzen weiter am Katzentisch und haben kein Mitspracherecht beim Rettungsdienst. Eine verpasste Chance für mehr Transparenz“, zeigt sich Weirauch enttäuscht und äußert die klare Erwartung, dass nun Gerichte über die Rechts- und Verfassungmäßigkeit des Gesetzes befinden. „Die Landesregierung hat beim Rettungsdienst schon zwei Mal üble Niederlagen vor Gericht erlitten. Aller guten Dinge sind drei, wie man so schön sagt.“
Rettungsdienstgesetz verabschiedet
„Das Wohl der Patientinnen und Patienten steht für uns im Mittelpunkt. Die Menschen im Land sollen sich bei einem medizinischen Notfall auch zukünftig auf die schnelle Hilfe durch den Rettungsdienst verlassen können. Mit unserem neuen Rettungsdienstgesetz sorgen wir für Rechtssicherheit und nutzen die Chancen der Digitalisierung. Das neue Rettungsdienstgesetz stellt damit die Weichen für eine zukunftsfähige und noch schnellere, am Wohle des Patienten orientierte Notfallhilfe“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl am 17. Juli 2024 anlässlich der Verabschiedung des Rettungsdienstgesetzes im Landtag in Stuttgart.
Anpassung der Planungsfrist
Eine wesentliche Neuerung im Rettungsdienstgesetz ist die Anpassung der Planungsfrist, also der Zeit, in der das erste Rettungsmittel am Notfallort eintreffen soll. Sie wird künftig zwölf Minuten betragen und für 95 Prozent der wirklichen Notfälle als Planungsgröße gelten. Die Festlegung einer konkreten Frist sorgt für mehr Klarheit als dies bisher mit der Zeitspanne von zehn bis 15 Minuten der Fall ist. „Das ist freilich ambitioniert - doch wir verbessern damit die Versorgung“, so Innenminister Thomas Strobl.
Er erläuterte weiter: „Moderne Planungsinstrumente helfen uns, die Versorgung der Menschen im Land auch in Zukunft sicherzustellen und weiter zu verbessern. An der Stelle möchte ich klar betonen: Die zwölf Minuten stellen eine wesentliche Verbesserung dar. Darüber hinaus berücksichtigen wir stärker die Bedürfnisse des Einzelnen. Denn Notfall ist nicht gleich Notfall: Herzinfarkt oder Schlaganfall erfordern andere und schnellere Maßnahmen als etwa ein einfacher Knochenbruch. Wegen einem gebrochenen Schlüsselbein braucht man keinen Rettungsdienst - da geht man selber ins Krankenhaus. Das gehen wir jetzt gemeinsam im Schulterschluss mit den Kosten- und Leistungsträgern an.“
Für bestimmte Notfälle ist künftig auch die sogenannte Prähospitalzeit, also die Zeit bis der Notfall in der richtigen Klinik ankommt, bei der Planung zu berücksichtigen. In dem Zusammenhang können hochqualifizierte Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter mehr Maßnahmen eigenständig durchführen, zum Beispiel auch bestimmte Medikamente geben.
Telenotärztliches System
„Wir wollen, dass die Menschen im Notfall schnellstmöglich Hilfe bekommen. Um den Menschen schon am Einsatzort die bestmögliche Versorgung zuteilwerden zu lassen, bringen wir ein zeitgemäßes telenotärztliches System an den Start“, sagte der Innenminister. Mittels moderner digitaler Technik können Notärztinnen und Notärzte aus der Ferne die Behandlung steuern und medizinische Maßnahmen delegieren, etwa die Gabe von schmerzstillenden Mitteln in entsprechenden Notlagen.
„Das ist gut für die Patientinnen und Patienten und hilft solange, bis die Notärztinnen und Notärzte am Einsatzort eintreffen“, so Innenminister Thomas Strobl. „Mit dem Gesetzentwurf nutzen wir also die Möglichkeiten, welche uns die Digitalisierung bietet. Und darüber hinaus leisten wir mit den geplanten Instrumenten wie etwa dem Telenotärztlichen System, der Experimentierklausel und dem digitalen Versorgungsnachweis einen Beitrag zum Wohle der Patientinnen und Patienten“, so Innenminister Strobl weiter.
Die Einführung des Telenotärztlichen Systems ist für das nächste Jahr mit Pilotstandorten in Ludwigsburg und in Freiburg vorgesehen. Dort werden die Telenotärztlichen Zentralen an den jeweiligen Integrierten Leitstellen eingerichtet. Jede dieser beiden Telenotärztlichen Zentralen versorgt jeweils vier Rettungsdienstbereiche. Damit strahlt das Telenotärztliche System bereits in dieser Pilotphase weit in die Fläche des Landes hinein und deckt sowohl ländlich als auch städtisch geprägte Gebiete ab.